Inzwischen haben wir schon wieder so viel Neues gesehen, dass ich mit dem Schreiben gar nicht nachkomme. Der letzte Eintrag endet quasi Mittags vor dem neuen Museum in Wenchuan 汶川。Die Region, in der sich 2008 das Erdbeben ereignete, ist gleichermaßen geschichtsträchtig für die chinesische Kultur der Han (also politisch unkorrekt die „echten“ Chinesen) wie für die der Minderheit der Qiang. Funde beider Kulturen in dieser Region reichen bis in die Shang Dynastie (2000 v.Chr.), wo Geschichte allmählich in Mythen übergeht. Bei dem Erdbeben sind auch wertvolle Kulturgüter verlorengegangen.
Das Volk der Qiang ist eine der ältesten ethnischen Minderheiten des Landes. Tibeter und andere westchinesische Minderheiten sehen in ihnen ihre Vorfahren. Das heute nur noch aus rund 300.000 Menschen bestehende Volk lebt vor allem im Nordwesten der Provinz Sichuan in den Landkreisen Maoxian, Wenchuan, Lixian und Beichuan, die alle von dem Erdbeben schwer getroffen worden.
Unser nächster Stopp führte nach Taoping Qiang, das während der Katastrophe erstaunlicherweise nur wenig Schaden erlitten hatte. Die vor über 1000 Jahren errichteten steinernen Wachtürme hatten nur eine Plattform verloren, auf der fünf weiße Steine nach einem Shibi-Ritual verehrt werden. Alle anderen, erst vor wenigen Jahren als Touristenattraktionen errichteten Türme, sind bei dem Erdbeben eingestürzt. Das Dorf Taoping ist wie ein Labyrinth. Zu jedem der acht Eingänge des Dorfes gibt es 13 Wege. Als das Dorf im Jahr 111 v. Chr. gegründet wurde, wurde dort auch ein unterirdisches Netz an Wasserwegen angelegt, damit jede Familie leicht Zugang zu frischem Wasser hatte. Das man sich in dem Gewirr der Gänge leicht verirren kann, haben wir dann auch festgestellt.
Wir konnten auch das älteste Anwesen einer Familie besichtigen, die schon in der 80. Generation das Haus bewohnt. Ein Familienmitglied führte uns mit großer Begeisterung durch das Gemäuer. Über 10.000 Quadratmeter umfasst das Gewirr von Türmen, Räumen, Gängen, Treppen und Terrassen, die sich über mehrere Ebenen erstrecken, die man über Leitern oder niedrige Gänge erreicht. Genug der Worte, lasst Bilder sprechen. Ach ja, noch als Vorwarnung: eine Einnahmequelle der Familie sind Schweine und zwar in getrockneter Form.